Hintergrund & Ziel

Nach den schweren Tunnelunfällen in den Jahren 1999 und 2001 widmeten sich viele Behörden immer mehr der Diskussion und Klärung von Standards für Straßentunnel. Aus diesem Diskussionsprozess ging zunächst die Entwicklung und im April 2004 schließlich die Veröffentlichung der EU-Richtlinie 2004/54/EG über die Mindestanforderungen an die Sicherheit von Straßentunneln hervor. Neben Sicherheitsmaßnahmen und Organisationsstandards verpflichtet Artikel 13 alle Mitgliedsstaaten zur Entwicklung einer Methodik für Risikoanalysen auf nationaler Ebene. Weist ein Tunnel eine besondere Charakteristik/oder Abweichungen von den Erfordernissen der Richtlinie auf, werden diese Analysen als Risikobewertungstool angewandt, um sicherzustellen, dass die Tunnelsicherheit ausreichend ist.

Daher stieß das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) einen Planungsprozess zur Entwicklung einer Methodik an, die den speziellen Anforderungen von österreichischen Straßentunneln entspricht. Der Arbeitsprozess wurde von einer Gruppe aus Tunnelsicherheits- und Lüftungsexperten koordiniert. Mit dem Sammeln von Daten über Unfälle, Tunnelpläne und -ausrüstung und Verkehrsmerkmale nahm die Expertengruppe im Jahr 2003 ihre Arbeit auf. Nach Bewertung, Vergleich und Vervollständigung der Daten mittels fremder Datenquellen wurde eine methodische Vorgehensweise definiert. Das Tunnel-Risikoanalysemodell „TuRisMo“ wurde erstmals am 01. August 2008 in der RVS 09.03.11 veröffentlicht. Eine vereinfachte Bewertungsmethode für die Berechnung eines Risikoäquivalentwertes von Standardtunneln wurde in der RVS 09.02.31 (Tunnellüftung) veröffentlicht.

Im Mai 2006 wurde das österreichische Tunnelsicherheitsgesetz verabschiedet und die Ergebnisse der Tunnelrisikoanalysen mussten von nun an verpflichtend für alle Tunnelprojekte in Österreich berücksichtigt werden. Dank der hohen Anzahl an in Österreich oder anderen europäischen Ländern durchgeführten Risikoanalysen konnte mit diesem Risikobewertungstool viel Erfahrung und Wissen über die erreichten und überschrittenen Grenzwerte gesammelt werden.

In fünf Jahren praktischer Anwendung des österreichischen Tunnel-Risikoanalysemodels hat sich der Fokus verlagert. Während dieser in der ersten Anwendungsphase noch auf den Standardfällen lag, zum Beispiel, um die Gefährdungsklasse eines Tunnels zu definieren, hat er sich mit der Zeit auf die Anwendung eines Tools zur Entscheidungshilfe verlagert, um somit neue und komplexere Probleme zu beleuchten.

Da die Kosten einen immer entscheidenderen Faktor für Investitionen im Bereich der Tunnelsicherheit darstellen, werden Risikobewertungen zunehmend zur quantitativen Bewertung der Auswirkungen verschiedener Planungsvarianten und/oder zusätzlicher Maßnahmen zur Risikominderung auf die Tunnelsicherheit herangezogen, um das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu optimieren.

Im Jahr 2011 begann die Expertengruppe zunächst mit der Anpassung und Ausweitung des Tunnel-Risikoanalysemodels TuRisMo und veröffentlichte schließlich am 01. April 2015 eine aktualisierte Version der RVS 09.03.11. Die aktualisierte TuRisMo-Version ist in der Standardversion und für die erweiterte Anwendung verfügbar. Letztere umfasst detaillierte Brandrisikoanalysen, basierend auf den speziellen Rauchausbreitungsmerkmalen eines Tunnels.

Risikoanalysen werden häufig als Entscheidungshilfe in der Planungsphase oder während des Umbaus von bestehenden Tunnelbauwerken herangezogen. In den frühen Planungsphasen oder in der Vorbereitung des Umbaus kann eine Risikoanalyse rasch Aufschluss über die Wirkung von individuellen Sicherheitsmaßnahmen oder einer Kombination solcher bieten, ohne dabei kostenintensive Änderungen am Tunnel vornehmen zu müssen. Risikoanalysen werden auch oft mit Kosten-Nutzen-Überlegungen kombiniert.

Ziel

Das Tunnel-Risikoanalysemodell soll eine Methode zur quantitativen Analyse und Bewertung von potentiellen Gefährdungen in Straßentunneln und deren Auswirkungen auf die Tunnelnutzer liefern. Neben gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen aus Richtlinien stellt das Tunnel-Risikoanalysemodell ein zusätzliches Werkzeug zur Gewährleistung der entsprechenden Tunnelsicherheit gemäß den jeweiligen Anforderungen dar. Dieses soll darüber hinaus dazu beitragen, Investitionen für Tunnelsicherheit möglichst kostenwirksam einzusetzen. Das Tunnel-Risikoanalysemodell bietet die Möglichkeit, nahezu alle maßgeblichen Einflussfaktoren auf die Tunnelsicherheit in quantitativer Form zu erfassen und zu bewerten, sofern die nötigen Eingabedaten zur Verfügung stehen.

Die gegenständliche Methode ist ein systembasiertes Tunnel-Risikoanalysenmodell, das für die gesamthafte Bewertung der allgemeinen Sicherheit von Straßentunneln entwickelt wurde. Es eignet sich hervorragend für quantitative Risikovergleiche.